Vergesellschaftung von Kaninchen
Kaninchen sind ausgesprochen revierbezogen. Sie verteidigen ihr Gehege, grenzen ihren Bereich mit verschiedenen Geruchsmarkierungen - vor allem den Duftdrüsen am Kinn - ab und dulden innerhalb ihres Territoriums nur sehr schwer neue Tiere. Innerhalb der Gruppe gibt es eine feste Rangordnung, die von den einzelnen Tieren eingehalten wird und jedem Kaninchen seinen Platz gibt.
Diese Eigenschaften ihrer Tiere sollten Besitzer immer berücksichtigen, wenn sie ein neues Tier zu einem vorhandenen oder in die Gruppe hinzu setzen möchten. Dennoch ist es für Kaninchen absolut notwendig, ein Partnertier an ihrer Seite zu haben. Kaninchen sind gesellige Gruppentiere, die den sozialen Kontakt zur Erfüllung ihrer Lebensbedürfnisse brauchen. Eine Einzelhaltung von Kaninchen entspricht daher nicht den artgerechten Bedürfnissen der Tiere.
Damit eine Zusammenführung für Mensch und Tier ein erfolgreiches Erlebnis wird, sollten einige wichtige Voraussetzungen geschaffen werden:
- Unbekannte Tiere
Die neu zusammenzusetzenden Kaninchen sollten vor der Zusammenführung möglichst noch keinen Kontakt miteinander haben. Ein neues Tier sollte also bis zu diesem Zeitpunkt nicht im selben Zimmer an anderer Stelle untergebracht werden - auf diese Weise können bereits zu diesem Zeitpunkt entstehende Abneigungen der Tiere untereinander vermieden werden.
- Neutraler Bereich
Für die Zusammenführung sollte unbedingt ein für alle Tiere unbekannter, neutraler Bereich (ideal: ein bisher unbekanntes Zimmer) gewählt werden. Ist der Raum für alle Tiere neu, bestehen für alle Kaninchen dieselben Voraussetzungen: die „alten Tiere“ verlieren vorübergehend ihr Territorium und verteidigen somit ihren gewohnten Bereich nicht gegenüber den neuen Tieren, und die neuen Tiere können sich damit wesentlich neutraler in die Gruppe einfügen. Dieser neutrale Bereich ist auch bei einer Zusammenführung von nur zwei Tieren wichtig.
Verfügen Sie in Ihrer Wohnung über keine Möglichkeit eines für die Tiere neutralen Bereiches, sollten Sie das bisherige Kaninchengehege gründlich reinigen (am besten mit Essig; dies entfernt die vom Kaninchen mit seinen Duftdrüsen vorgenommenen und für den Menschen nicht wahrnehmbaren Markierungen). Durch den verlorenen Geruch des Geheges können die Kaninchen den gereinigten Bereich nicht mehr als ihr Revier „erschnuppern“.
- Ausreichend Platz
Neben der richtigen Ortswahl für die Zusammenführung spielt auch der Platz eine entscheidende Rolle für den Erfolg. Zwar benötigen die Tiere ausreichend Platz, um sich aus dem Weg hoppeln oder auch mal jagen zu können, aber zu weitläufig sollte das Gehege für die Zusammenführung nicht sein. Die Tiere müssen ihre Rangordnung neu finden und damit Kontakt untereinander haben können. Bitte setzen Sie die Tiere nie in einen Käfig – diese Fläche ist für eine Zusammenführung deutlich zu klein!
Ideal ist bei zwei Tieren eine Gehegegröße von etwa 4 bis 6 m², die Sie je nach Situation auch variieren können. Statten die das Gehege für die Zusammenführung mit einigen Fluchtmöglichkeiten und Verstecken aus, in die sich die Tiere bei Bedarf zurückziehen können – achten Sie jedoch darauf, keine Gegenstände Ihrer bisherigen Tiere dafür zu nehmen, die diese als ihren Besitz verteidigen könnten. Größere Kartons aus Pappe mit mehreren eingeschnittenen Eingängen sind für eine Zusammenführung ein idealer Ersatz für die gewohnten Häuschen.
- Die richtige Ausstattung des Geheges
Im Zusammenführungsgehege sollen sich Ihre bisherigen und die neuen Tiere möglichst wohlfühlen. Richten Sie den Bereich daher auch vorübergehend für die Tiere gemütlich und abwechslungsreich ein, reinigen Sie und streuen Sie die Toilettenkisten neu ein und legen Sie den Kaninchen im Gehege verschiedene Knabbereien wie z.B. Zweige und auch gern gemochtes Futter bereit. Abwechslung ist ein wichtiger Faktor für die Tiere, die sich damit auch unabhängig voneinander beschäftigen können.
- Beobachten Sie Ihre Tiere
Bitte bleiben Sie vor allem in den Anfangsphasen einer Zusammenführung in der Nähe Ihrer Tiere. Idealerweise planen Sie den Start an einem Wochenende, so dass Sie viel Zeit mit Ihren Tieren verbringen und ihnen damit Sicherheit geben können. Vermeiden Sie jedoch den Tieren gegenüber eigene Aufregung oder Unsicherheit – strahlen Sie Ruhe und Sicherheit aus, die sich auf Ihre Tiere übertragen wird. Kleinere Jagereien oder auch fliegende Fellbüschelchen der Tiere untereinander sind während einer Zusammenführung völlig normal.
Die Kaninchen müssen ihre künftige Rangordnung untereinander klären – was zu kleinen Kämpfen um die jeweilige Machtposition führen kann. Eingreifen sollten Sie hier nur, wenn Sie bemerken, dass die Kämpfe ein normales Maß überschreiten oder es zu ernsthaften Verletzungen eines der Tiere kommt.
Möglich ist auch, dass eines der Tiere sehr verängstigt ist oder keinen Platz zum Ausweichen hat und damit gar nicht zur Ruhe kommt. Im diesem Fall vergrößern Sie den Bereich am besten etwas. Geben Sie eventuell einige Leckerlis zum Futter und versuchen Sie, dem verängstigten Tier positive Gefühle zu vermitteln.
Liegt jedes der Tiere in einer separaten Ecke, es kommt aber sofort zur Auseinandersetzung, wenn sich die Tiere begegnen, verkleinern Sie dagegen den Bereich. Solange sich die Tiere noch nicht entspannt beobachten und immer wieder im Kampf aufeinander zugehen, ist die Rangordnung noch nicht abschließend festgelegt.
Stellen Sie fest, dass die Kaninchen sich über das normale Maß hinaus ineinander verbeißen oder eines der Tiere sogar ernsthaftere Verletzung erleidet, sollten Sie eingreifen und die Tiere trennen.
Leider verläuft eine Vergesellschaften der Kaninchen untereinander in den seltensten Fällen völlig entspannt. Wichtig ist es aber für Sie zu erkennen, wann hier der normale Grad an Jagereien oder Beißereien überschritten ist.
- Im Notfall
Bemerken Sie, dass sich die Tiere so stark ineinander verbeißen, dass das unterlegene Tier keine Möglichkeit zur Flucht hat, können Sie als erste Maßnahme aus einer Sprühflasche etwas Wasser auf das angreifende Kaninchen sprühen. Das dominante Kaninchen wird dadurch kurz irritiert sein – dem unterlegenen Kaninchen bietet dieser Moment jedoch eine Möglichkeit zur Flucht. Prüfen Sie, dass das Tier keine ernsthaften Verletzungen davongetragen hat und nicht unter übermäßiger Angst oder gar Panik leidet (Anzeichen für extreme Angst sind zum Beispiel große, hervortretende Augen, Zittern, extrem schnelles Atmen, sehr schneller Puls; ernsthafte Verletzungen müssen ggf. vom Tierarzt versorgt werden).
Generell sollten Sie als Besitzer jedoch nur eingreifen, wenn die Situation aus Ihrer Sicht zu eskalieren droht und Sie die Tiere zu ihrem Schutz trennen müssen. Nach einer Trennung wird die Angst des unterlegenen Tieres unter Umständen noch stärker sein – und um die Tiere letztlich doch dauerhaft zusammensetzen zu können, beginnt die Klärung der Rangordnung mit jedem neuen Vergesellschaftungsversuch erneut. Erst wenn alle Kaninchen in der Gruppe wieder ihren festen Platz gefunden haben, ist ein auf Dauer entspanntes Zusammenleben der Tiere möglich.
Nach einer erfolgreichen Vergesellschaftung sollten die Tiere daher auch nicht wieder getrennt werden. Mit jeder längeren Trennung ändert sich die Konstellation innerhalb der Gruppe, was unter Umständen bei der Rückkehr eines aus der Gruppe herausgenommenen Tieres eine erneute Vergesellschaftung notwendig macht.
- Wenn Sie unsicher sind
Trauen Sie sich alleine eine Vergesellschaftung Ihrer Tiere nicht zu, holen Sie sich Unterstützung durch einen im Umgang mit Kaninchen erfahrenen Besitzer oder geben Sie Ihre Kaninchen für diesen Zeitraum gezielt in eine fremde Obhut außerhalb Ihrer Familie. Gerade in fremder Umgebung glücken die Zusammenführungen in fast allen Fällen, da alle Tiere dieselben Voraussetzungen haben. Wichtig ist dabei immer die Betreuung der Tiere durch einen erfahrenen Kaninchenbesitzer.
Das Durchhalten der manchmal anstrengenden und aufregenden Phase einer Kaninchen-Zusammenführung lohnt sich jedoch: Es ist wunderschön, die Kaninchen später kuschelnd in der Gruppe nebeneinander liegen zu sehen oder zu beobachten, wie sie sich gegenseitig putzen.
Ihre Anja Schade
Tierheilpraktikerin